Untere Naturschutzbehörde klärt auf: Wie gefährlich sind Ölkäfer wirklich?
Nun geht es bald wieder los: dicke schwarz-blau glänzende Käfer mit auffällig großen Hinterleibern erscheinen mit den steigenden Temperaturen. Mit den ersten warmen Frühlingstagen sieht man sie auf Trockenrasen, Wegböschungen, aber auch mal im Garten oder auf Spielplätzen. Es handelt sich um sogenannte Ölkäfer oder auch Maiwürmer. „Giftig, tödlich, gefährlich“ sagen die Medien. „Und ja, sie sind tatsächlich giftig“, erklärt Katrin Kramer von der Unteren Naturschutzbehörde beim Landkreis Harz.
Sie erklärt: Es gibt verschiedene Arten von Ölkäfern, der noch häufigste ist der Schwarze Maiwurm (Meloe proscarabeus). Die ein- bis drei Zentimeter langen Ölkäfer sind faszinierende Tiere mit einer ganz außergewöhnlichen Fortpflanzungsbiologie. Die erwachsenen Ölkäfer haben im Boden überwintert und kommen jetzt zur Eiablage heraus. Sie sind an warmen Frühlingstagen vermehrt zu beobachten. „Ganz besonders die Weibchen fallen mit ihren großen Hinterleibern auf, die voll mit Eiern sind“, sagt Kramer. Je nach Wetter sind ab spätestens Mitte Mai die erwachsenen Käfer wieder verschwunden; ihre abgelegten Eier entwickeln sich zu Larven.
Und diese Larven leisten ganz Erstaunliches: Sie klettern auf Blüten und warten dort auf bestimmte Wildbienen, um von ihnen in deren Nester transportiert zu werden. Dort ernähren sich die Larven von den Bieneneiern und vom Pollenvorrat. Dabei sind manche Ölkäferarten tatsächlich nur auf bestimmte Wildbienenarten angewiesen. „Manchmal ist es exakt nur eine einzige Wildbienenart, in deren Nestern die Larven sich entwickeln können.“ Kommt diese Biene nicht an der Blüte vorbei, ist es um die Larve geschehen und sie muss sterben.
Katrin Kramer sagt: „Mit dieser komplexen Fortpflanzungsökologie sind Ölkäfer ein Indikator für noch ziemlich intakte Lebensräume. Wo sie leben können, muss sehr viel zusammenkommen: die richtigen Bienen samt Nestern, ausreichend Nahrung für die Bienen, Überwinterungsräume für die Bienen, Sand zum Graben der Nester, Wärme oder passende Vegetation. Solche komplexen Lebensräume finden sich heute nur noch sehr selten: extensiv landwirtschaftlich genutzte Standorte wie beispielsweise in Heidegebieten, Trockenrasen und Streuobstwiesen sind Lebensräume der Ölkäfer.“
Allerdings macht diese Fortpflanzungsbiologie die Ölkäfer auch sehr anfällig: Schon kleine Veränderungen im Lebensraum können zu großen Ausfällen bei der Vermehrung führen. Trotz seiner enormen Vermehrungskraft – ein einzelnes Weibchen kann fünf- bis sechsmal im Abstand von ein bis zwei Wochen je 3 000 bis 9 500 Eier legen – sind viele Ölkäfer in Deutschland selten. Sie gehören inzwischen zu den am stärksten gefährdeten Käfern. Von den 14 in Sachsen-Anhalt ursprünglich vorkommenden Ölkäfer-Arten stehen alle auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten: Sechs Arten gelten hier inzwischen als ausgestorben, eine weitere als vom Aussterben bedroht. Auch die übrigen sieben Arten sind stark gefährdet. „Ihre Gefährdung macht vor allem eines ganz deutlich: Sie sind selten und es ist eigentlich ein Glücksfall, einen Ölkäfer zu sehen“, unterstreicht Kramer.
Ölkäfer sind nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders streng geschützt. Sie dürfen nicht getötet, gefangen oder gestört werden. 2020 war der Schwarzblaue Ölkäfer sogar das „Insekt des Jahres“. Die Ursachen für sinkende Bestände gibt es viele. An erster Stelle sei der massive Lebensraumverlust durch Nutzungsintensivierung und Versiegelung genannt. So verschwinden auch die Bienen, auf die die Ölkäfer angewiesen sind. Aber auch der Straßenverkehr spielt eine Rolle.
Tatsächlich scheiden Ölkäfer bei Gefahr ein starkes Gift, Cantharidin, aus. Das schützt den Käfer vor allem gegen Ameisen und Laufkäfer. Andere Fressfeinde wie Igel und Vögel sind gegen das Gift wohl immun. In der Antike und im Mittelalter hat man dieses Gift sowohl als Medizin, als Aphrodisiakum (Liebeszauber) als auch als Hinrichtungsmittel benutzt.
Die berühmte Spanische Fliege gehört in die Gruppe der Ölkäfer. „Angst muss man aber vor dem Käfer deshalb nicht haben. Man sollte sie einfach nur nicht anfassen oder essen“, rät Katrin Kramer. Man kann sie aber beobachten, über sie und ihre komplizierte Welt staunen und daran denken: Wo die Ölkäfer sind, ist die Welt noch ein Stück weit in Ordnung.