Aufgabenzuwachs bei Sozial- und Jugendhilfe bringt Landkreis Harz in finanzielle Bedrängnis
Der Landkreis Harz kämpft seit Jahren mit steigenden Fallzahlen bei der Hilfe zur Pflege. So hat deren Anzahl von 769 im Jahr 2018 über 841 im Jahr 2020 bis zu 1276 im November 2024 zugenommen. Im ersten Quartal 2025 gab es 125 Anträge, teilt Sozialdezernentin Heike Schäffer mit. Ebenfalls gestiegen sind die Fälle bei der Sozialhilfe außerhalb von Einrichtungen von 2314 (2022) auf 2616 (2024). Für das laufende Jahr wird eine weitere Steigerung auf 2915 Fälle prognostiziert. Diese Entwicklung zeigt sich in allen Bereichen der sozialen Sicherung.
Bei der Hilfe zur Pflege sei nicht allein die Zahl der hohen Zugänge an Neuanträgen das Problem, weil sich die Fallzahlen insgesamt durch die relativ hohe Sterblichkeitsrate der Leistungsberechtigten nicht so stark erhöht haben. Weitaus gravierender sei nach Worten Schäffers die Kostenexplosion, die der Landkreis Harz etwa für Personal oder Sachkosten aufwenden muss – eine per Gesetz geregelte Verpflichtung. Grund seien gestiegene Löhne in der Pflege und gestiegene Sachkosten in den Einrichtungen.
Landrat Thomas Balcerowski ergänzt: „Um eine auskömmliche Finanzierung der Aufgaben der Sozial- und Jugendverwaltung sicherzustellen, ist eine weitere Finanzierung durch das Land Sachsen-Anhalt dringend erforderlich.“ Das Land Sachsen-Anhalt stellte 2024 im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) Zuwendungen in Höhe von rund 57 Millionen Euro bereit. Das entspricht einer Unterfinanzierung von rund 67,6 Millionen Euro. Mit dem Wissen, dass die Auftragskostenpauschale in Höhe von 36,3 Millionen Euro nicht komplett der Deckung der Aufgabenwahrnehmung der Sozial- und Jugendverwaltung dient, wird dies allerdings hilfsweise unterstellt. Danach besteht noch immer eine Unterfinanzierung in Höhe von 31,3 Millionen Euro. Dafür setzt der Harzkreis die bei den kreisangehörigen Gemeinden erhobene Kreisumlage ein; das sei Geld, was für dringende Investitionen in die marode Infrastruktur nicht investiert werden könne. „Der immense Aufgabenzuwachs im Bereich der Sozial- und Jugendhilfe führt deutlich vor Augen, wo die finanzielle Bedrängnis des Landkreises herkommt.“
Auch im Bereich des Jugendamtes gibt es eine erhebliche Kostensteigerung für Hilfeleistungen. Seit 2022 stiegen die monatlichen Kosten von etwa 2,56 Millionen Euro auf rund 4,3 Millionen Euro. Dabei liegt der Landkreis Harz im bundesweiten Trend, der sich durch Spezialisierungen, wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen überdurchschnittlich stark entwickelt. Durch die Spezialisierung insbesondere der Eingliederungshilfe (§35a SGB VIII) erfolgt eine differenziertere sozialpädagogische Diagnostik. „Damit können Hilfebedarfe genauer bestimmt und passgenau für die jungen Menschen vermittelt werden“, erläutert Heike Schäffer.
Hinzu kommen insbesondere Entwicklungen der Tagessätze für die kostenintensiven stationären Hilfen mit Steigerungen von teilweise über 40 Prozent aufgrund Tarifanpassungen bei den Personalkosten, Arbeitgeberkosten aufgrund gesetzlicher Änderungen sowie gestiegener Betriebskosten für die Einrichtungen. Zudem haben gestiegene Verweildauern in den einzelnen Hilfen ebenfalls starken Einfluss auf die Kostenentwicklung insgesamt.
Weiterhin erfolgte eine deutliche Anhebung der Pflegegelder für Kinder in Pflegefamilien ab 2024 und die Einführung einer geänderten Richtlinie für die Gewährung von einmaligen Leistungen gem. §39 SGB VIII und § 42 SGB VIII sowie Krankenhilfe. „Das sinkende Fallaufkommen bei der Hilfen zur Erziehung sowie weitere Maßnahmen der Jugendhilfe konnten die steigenden Kosten je Fall nicht kompensieren“, macht Heike Schäffer noch einmal deutlich.