Wiederaufforstung und Naturverjüngung drängen Kahlflächen im Harz zurück
„Am Ground Zero des deutschen Klimawandels, dem Harz, bewegt sich etwas. Dort regt sich nach Jahren der Tristesse ganz zartes Grün“, resümierte der Landrat. Der Harz sei anderen Regionen in der Bundesrepublik beim Waldwandel um zwei Jahren voraus, erklärte Balcerowski bei der jüngsten Sitzung des Krisenstabes Wald. 2020 vom Harzer Landrat in der Hochzeit des Harzer Waldsterbens als Kommunikationsplattform ins Leben gerufen, tagte das Gremium aus Vertretern des Landkreises und Kommunen, des Landesforstbetriebes, des Privat- und Kommunalwaldes, der auf dem Großen Schloss Blankenburg beheimateten „Future Forest Initiative“ sowie von Harzer Wandernadel, Harzklub, Harzer Tourismusverband und des „Julius Kühn Institut“ Quedlinburg unter dem Vorsitz Balcerowskis jetzt zum 13. Mal.
Und es gibt hoffnungsvolle Nachrichten: Erstmals seit Jahren haben die 27 größeren Waldbesitzer einer Abfrage des Harzer Umweltamtes zu folge kreisweit einen Rückgang ihrer Kahlflächen gemeldet. „Das ist ein Lichtblick, ein Fortschritt“, sagte Thomas Balcerowski auf der Plessenburg. Demnach sank deren Größe innerhalb eines Jahres zum Ende 2023 um etwa 5 500 Hektar auf aktuell rund 14 800 Hektar. Das Zusammenspiel von aktiver Wiederaufforstung und Naturverjüngung kommt dem Harz nach dem mehrjährigen, großflächigen Fichtensterben immer mehr zu Gute. „Diese Kombination führt in kleinen Schritten zur Sicherung und Wiederherstellung der Funktion des Waldes im Landkreis Harz“, unterstrich der Landrat.
Im Ober- und Ostharz hat der Landesforstbetrieb Sachsen-Anhalt allein im Vorjahr 1 246 Hektar wieder aufgeforstet. Der Mischwald der Zukunft fordere den Pioniergeist der Forst-Experten heraus. „Wir sind aus forstlicher Sicht noch lange nicht am Ziel. Deshalb schicken wir viele Laubbäume ins Rennen“, informierte Wolfhardt Paul vom Landesforstbetrieb. Diese große Mischung streue das Risiko. So sollen heimische Birken, Eichen und Ebereschen, aber auch aus Nordamerika stammende Baumarten wie Douglasie, Küstentanne und Roteiche und selbst Exoten wie Zeder oder Esskastanie noch in 100 Jahren im Harzer Wald stehen, weil sie mit dem Klimawandel klarkommen. Die Experten wollen zudem Buche, Fichte und Ahorn zurück in den Harz bringen. „Wir müssen den Wald zukunftsfähig und klimaresistent in meinem Mix auf verschiedenen Arten gestalten“, sagte der Landrat.
Die Wiederaufforstung plane der Landesforstbetrieb aus den Erlösen zu stemmen, die mit dem Holzverkauf der Fichten erzielt werden. Bis Mitte der 2030er Jahre belaufe sich die angestrebte jährliche Aufforstungsfläche auf 1 000 Hektar; das macht nach Worten von Paul in dem avisierten Zehn-Jahre-Programm eine Fläche von 10 000 Hektar.
Über die „Harzer Wandernadel“ und deren Geschäftsführer Klaus Dumeier wird die spendenfinanzierte Aufforstung im Harz koordiniert. Gepflanzt werden die Bäume an Schwerpunkten, etwa an der Hammwarte in Quedlinburg oder in dem vom Waldsterben äußerst hart getroffenen Kommunalwald rund um Ilsenburg – wo am „Stumpfrücken“ auf einem Hektar rund 7 000 Bäume in einer Mischung aus Traubeneiche, Rot-Eiche, Esskastanie und Winterlinde gepflanzt und mit einem Gatter vor Wildverbiss geschützt wurden. 2024 sind weitere Pflanzaktionen in Quedlinburg, Derenburg oder Spiegelsberge bei Halberstadt geplant. Seit 2018 hat die Aktion „Der Wald ruft“ ein Spendenvolumen von rund 250 000 Euro eingesammelt. Bislang wurden über den Krisenstab Wald des Landkreises Harz Pflanzungen im Wert von rund 117 000 Euro für den Wald der Zukunft organisiert. „Die kommunalen Betreuungsförster sind begeistert und überrascht, wie viele Menschen aus nah und fern sich für die Zukunft der Harzer Wälder interessieren und fleißig spenden“, erklärt Klaus Dumeier.
„Mit den Pflanzaktionen verknüpfen wir das Bewusstsein der Harzer und aus der Region mit der Umweltbildung. Der Wald geht jeden und alle Generationen an“, erläutert der Landrat das geniale Erfolgsrezept hinter den Waldspenden. Die Spendenbereitschaft sei in der Bevölkerung und bei Firmen ungebrochen hoch. „Immer öfter wird der Baumsetzling als ökologisch-nachhaltiges Geschenk bei Geburtstagen oder Jubiläen verschenkt“, freut sich Thomas Balcerowski.
„Wir sind aber noch lange nicht am Ziel und können bei der Aufforstung jede Unterstützung gebrauchen“, ergänzt er. Denn trotz erster Erfolge setzt die Trockenheit den Bäumen im Harz weiter zu. Außerdem nimmt die Kronenverlichtung, insbesondere bei Laubbäumen, weiter zu.
Weitere Probleme verursachen Schädlinge. Hart getroffen ist die Eiche im Harz und Harzvorland, aber auch im benachbarten Landkreis Mansfeld Südharz. Dort setzt der zweipunktige Eichenprachtkäfer den durch die Trockenjahre ohnehin gestressten Bäumen extrem zu. Er befällt die äußerlich vital erscheinenden Bäume, die dann absterben. „Bei den Eichen ist der Eichenprachtkäfer das Zünglein an der Waage“, weiß Torsten Sinnecker, der Leiter des Umweltamtes beim Landkreis Harz. Um das absehbare „Sterben auf Raten“ zu verhindern, „müssen wir das Holz befallener Eichen aus dem Bestand holen“. Sonst, so befürchtet er, folgt dem großflächigen Fichtensterben bald auch die Eiche.
Zahl der Löscheinsätze im Wald steigt
Von der Trockenheit ging im Vorjahr wieder eine hohe Gefahr von Bränden auch für den Harzer Wald aus. So hat sich nach Angaben von Kreisordnungsdezernent Thomas Golinowski die Zahl der Feuerwehreinsätze von 100 im Jahr 2022 auf 151 Einsätze im Jahr 2023 erhöht. Allein jeder dritte Einsatz galt der Brandlöschung im Wald. Weitere Einsatzschwerpunkte der Harzer Feuerwehren waren bei Bränden von Ödland, Gras, Moor (60 Einsätze) sowie von landwirtschaftlichen Nutzflächen (14 Einsätze). Im ersten Halbjahr 2024 gab es 29 Löscheinsätze bei Waldbränden.
Thomas Golinowski zog auf der Sitzung des „Krisenstab Wald“ eine durchweg positive Bilanz zum Harzer Löschflugzeug. Mit dem gecharterten Single Engine Air Tanker „Florian Harz 25“ verfügt der Landkreis Harz als bundesweit erster Landkreis über ein luftgebundenes Löschmittel, das über eine Kooperation auch dem Nachbarlandkreis Mansfeld-Südharz zur Verfügung gestellt wird. Das Löschflugzeug vom Typ Dromader PZL M18 B war in der ersten Waldbrandsaison 2023 sechsmal im Einsatz. Anfang Mai 2024 folgten weitere zwei Einsätze, darunter einer am Königsberg auf dem Brocken. „Wenn wir schnell sind, haben wir schnelle Erfolge“, hebt Golinowski den immensen Zeitvorteil des Harzer Löschflugzeuges hervor.
Insgesamt war „Florian Harz 25“ bislang 88 Stunden in der Luft – davon entfallen allein etwa 78 Stunden auf die Löscheinsätze auf dem Truppenübungsplatz im brandenburgischen Jüterbog in der ersten Juniwoche 2023.
Bis zur nächsten Sitzung des „Krisenstab Wald“ im November wollen die Arbeitsgruppen den Maßnahmenplan als Handlungsrichtlinie des Krisenstabes überarbeiten.
Foto: Zum Beginn der jüngsten Sitzung verschafften sich die Mitglieder des „Krisenstab Wald“ unter Vorsitz von Landrat Thomas Balcerowski im Kommunalwald von Ilsenburg einen Überblick über die Fortschritte bei der Aufforstung der Harzer Wälder. Am „Stumpfrücken“ wurden nach Worten von Förster Lutz Böge auf einem Hektar rund 7 000 Bäume in einer Mischung aus Traubeneiche, Rot-Eiche, Esskastanie und Winterlinde gepflanzt. Das Areal ist mit einem Gatter vor Wildverbiss geschützt.