Landrat Balcerowski appelliert an Bund und Land: „Ein Weiter-so gefährdet die Basisversorgung der Harzer Bevölkerung!“
Landrat Thomas Balcerowski hat vier Wochen nach Jahresbeginn die vorläufiges Jahresschlussrechnung 2024 des Landkreises öffentlich vorgestellt: Rund 21,4 Millionen Euro beträgt das Minus. Schuld an dem Defizit seien nach Worten des Landrates vor allem die erneut gestiegenen Ausgaben im Sozial- und Jugendbereich im oftmals übertragenen Wirkungskreis, dem mit etwa 372,6 Millionen Euro größten Posten des knapp 500-Millionen-Vorjahresetats. Das sind rund 76 Prozent aller Ausgaben.
Deshalb appellierte Balcerowski eindringlich an Bund und Land, nicht länger das im deutschen Staatsrecht verankerte Konnexitätsprinzip zulasten des Landkreises Harz und seiner 20 kreisangehörigen Städte und Gemeinden zu verletzen. „Wer politische Versprechen in Gesetze gießt und bei den damit verbundenen Leistungen nicht für die notwendige finanzielle Ausstattung sorgt, begeht politische Zechprellerei“, so der Landrat. „Wer Aufgaben bestellt, muss diese auch vollumfänglich bezahlen.“ Das ist seit Längerem nicht der Fall. Dadurch werde der Landkreis – wie im Übrigen das Gros aller deutscher Landkreise – sehenden Auges in finanzielle Schieflage gebracht. Ein Weiter-so gefährde die
Basisversorgung der Harzer Bevölkerung, ergänzt er. „Wir sind demnächst Handlungsunfähigkeit“, beschreibt Thomas Balcerowski die Dramatik der aktuellen Finanzlage des Harzkreises.
Im vorläufigen Ergebnisplan 2024 wurden Erträge in Höhe von 443,1 Millionen Euro und Aufwendungen in Höhe von 451,7 Millionen veranschlagt. Daraus ergab sich ein Fehlbetrag von etwa 8,6 Millionen Euro. Durch weitere überplanmäßige Aufwendungen für das Dezernat für Sozial- und Jugendverwaltung erhöhte sich der Fehlbetrag um 15 Millionen Euro auf 23,6 Millionen Euro. Die Jahresrechnung 2024 ergab am 27. Januar 2025 ein voraussichtliches Defizit in Höhe von 21,36 Millionen Euro. Einer der Kostentreiber ist die „Hilfe zur Erziehung“, berichtet die Kreissozialdezernentin. Zwar habe die Zahl der Fälle kaum zugenommen, dafür aber explodieren nach Worten von Heike Schäffer die Kosten, die der Landkreis Harz etwa für Personal oder Sachkosten aufwenden muss – eine per Gesetz geregelte Verpflichtung.
„Um eine auskömmliche Finanzierung der Aufgaben der Sozial- und Jugendverwaltung sicherzustellen, ist eine weitere Finanzierung durch das Land Sachsen-Anhalt erforderlich“, ist der Landrat überzeugt. Das Land Sachsen-Anhalt stellte 2024 im Rahmen des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) Zuwendungen in Höhe von rund 57 Millionen Euro bereit. Das entspricht einer Unterfinanzierung von rund 67,6 Millionen Euro. Mit dem Wissen, dass die Auftragskostenpauschale in Höhe von 36,3 Millionen Euro nicht komplett der Deckung der Aufgabenwahrnehmung der Sozial- und Jugendverwaltung dient, wird dies allerdings hilfsweise unterstellt. Danach besteht noch immer eine Unterfinanzierung in Höhe von
31,3 Millionen Euro. Setzt der Harzkreis nun zur Finanzierung der Aufgabenerfüllung der Sozial- und Jugendverwaltung die bei den kreisangehörigen Gemeinden erhobene Kreisumlage (2024: 85,81 Millionen Euro) ein, stehen damit für die Gesamtdeckung aller anderen Aufgaben des Haushaltes des Landkreises Harz nur noch 54, 5 Millionen Euro zur Deckung aus der Kreisumlage zur Verfügung stehen.
Dem Kostenanstieg und der defizitären Aufgabenfinanzierung durch Land und Bund vor allem sozialen Bereich setzt der Landkreis Harz unterschiedliche Konsolidierungsmaßnahmen entgegen; Haushaltssperre in Höhe von 5,9 Millionen Euro, Standortkonzeption mit einer Verringerung von 15 auf dann drei Standorte sowie Stellenkonsolidierungsmaßnahmen, bei dem bis 2027 schrittweise etwa 70 unbesetzte und freiwerdende Stellen abgebaut werden. Allein bei den Personalkosten wurden im Jahr 2024 rund 3,4 Millionen Euro eingespart.
Die Folge des 21-Millionen-Lochs im Kreishaushalt des Vorjahres treffen die Harz-Region in einer „veritablen Wirtschaftskrise“ (Landrat Balcerowski) direkt: Denn es entfallen die in der Wirtschaft und im Handwerk dringend benötigten öffentlichen Aufträge für Schulsanierungen oder für Arbeiten an Straßen und Radwegen.
Trotz seiner Finanznot werde der Landkreis die Städte und Gemeinden im gerade begonnenen Jahr 2025 nicht mit einer Erhöhung der Kreisumlage belasten. „Die bleibt unverändert bei 38,9 Prozent“, versichert Landrat Thomas Balcerowski. Denn er weiß: Die Entwicklung des einwohnerstärksten Landkreises Sachsen-Anhalt findet in den Orten statt. Und auch, wenn der Harzkreis aktuell mit höheren Zuweisungen aus dem FAG rechnen kann, weiß der Landrat schon jetzt: „Ich rechne im Kreishaushalt 2025 mit einem Defizit im einstelligen Millionen-Bereich.“ Am 26. März soll der Kreistag über den Haushalt 2025 entscheiden.